Den Grundstein für die Städtepartnerschaft ging vom damaligen Bürgermeister der Stadt Tergnier aus, welcher in beiden Weltkriegen als Soldat gedient hat und dem es wichtig war, die dauerhafte Aussöhnung gemäß dem Élysée- Vertrag von 1963 zwischen den beiden Staaten zu festigen. Eine zentrale Aussage des deutsch-französischen Vertrages ist, ein gemeinsames Bewusstsein für Frieden zu schaffen, welches soll durch verschiedene Allianzen, wie auch Städtepartnerschaften belebt und gelebt werden.
Nach ausführlichen Kontakten wurde am 17.Mai 1981 die Urkunde unterzeichnet, wobei der Initiator die Verpartnerung nicht mehr miterlebte, da er vorher verstarb. Neben Treffen zwischen den Feuerwehren, Sport-, Musik- und Folklorevereinen sowie privaten langjährigen Freundschaften ist der jährliche Schüleraustausch zwischen dem College Joliot Curie und der Walter-Lübcke-Schule (ehemals Wilhelm-Filchner-Schule) ein fester Pfeiler unseres Austauschs.
Tergnier ist eine relativ „neue“ Kleinstadt mit ca.13 500 Einwohnern im Departement Aisne in der Region Hauts-de-France, ca.120km nördlich von Paris eingebettet in eine sanfte Hügellandschaft. Die Stadt und ihre Ortsteile Vouel, Fargniers, Quessy und Quessy-Cité liegen an einer alten römischen Handelsstraße, doch bedingt durch die kompletten Zerstörungen in mehreren Kriegen sind von der historischen Substanz keine Spuren mehr sichtbar.

Seit Mitte des 19.Jahrhunderts ist Tergnier ein Eisenbahnknotenpunkt, das Ausbesserungswerk ist heute noch einer der größten Arbeitgeber. Auch städteplanerisch hat sich dies wiedergespiegelt, der Grundriss der Eisenbahnersiedlung Quessy-Cité stellt sich aus der Vogelperspektive wie ein Teil einer Lokomotive dar.
Besonders erwähnenswert ist das 1986 eröffnete Museum der Resistance und Deportation, welches einen wichtigen überregionalen Beitrag zur Aufarbeitung der politischen Geschehnisse von 1933 bis 1940 und darüber hinaus leistet.
Unsere Partnerstadt ist nicht nur mehrmals als „blühende Stadt“ für ihre Grün- und Blühflächen ausgezeichnet worden, auch sportlich ist sie sehr aktiv. Neben der regionalen Trainingsstätte für Kampfsportarten ist das Naherholungszentrum La Frette mit Strand, Wassersport- und Campingmöglichkeiten sowie einem Wohnmobilstellplatz ein beliebtes Ziel.
Daneben laufen ein Seitenarm der Oise, der Kanal von St. Quentin sowie die Sambre-Oise in Tergnier zusammen. Im 18.Jahrhundert bedeutende Handelswege, bei denen die Kähne durch Pferde geschleppt (getreidelt) wurden, sind sie heute vor allem bei Anglern und für Bootstourismus beliebt. Neben diesen wichtigen Wasserwegen läuft durch Tergnier bereits seit dem frühen Mittelalter die Via Francigena, ein Pilgerweg, der zunächst von England, später von Skandinavien bis Rom an das Grab der Apostel Petrus und Paulus führt. Außerdem liegt Tergnier am EuroVelo 3 der Scandiberique, eine 5400km lange Fahrradroute, die Trondheim (Norwegen) mit Santiago de Compostela (Spanien) verbindet.
Besonders beeindruckend sind neben den regelmäßig an den Gedenktagen 08. Mai und 11. November besuchten Denkmälern im Stadtgebiet für die Opfer der beiden Weltkriege die Gedenkstätte in der Nähe der Mediathek und des Bahnhofs. Sie erinnert an den Moment, wo die deutsche Kommission am 07.11.1918 in den Sonderzug einstieg, um zur Lichtung nach Compiègne zu fahren und den Waffenstillstand zu unterschreiben, welcher den ersten Weltkrieg beendete. Interessanterweise wurde dieser besondere Waggon, in dem der Vertrag unterzeichnet wurde, später als Trophäe von Hitler nach Deutschland transportiert und zum Kriegsende in Crawinkel, einem Ortsteil unserer Partnerstadt in Thüringen, zerstört.
Die bewusste Auseinandersetzung mit der gemeinsamen Geschichte, der anhaltende Wille zur Versöhnung und Freundschaft, um das Haus Europa weiter zu bauen und damit nachhaltig den Frieden zu sichern ist immer wieder Kern unserer Begegnungen. Trotz Bedenken aufgrund von Sprachbarrieren sind die Besuche immer von großer Herzlichkeit, hervorragendem Essen und viel Freude miteinander geprägt, es gibt nicht nur Freundschaften, die schon seit Jahrzehnten Bestand haben und mittlerweile in die nächste Generation weitergetragen werden, auch Ehen sind aus der Städtepartnerschaft hervorgegangen.
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